Im Juli reiste eine Delegation mit einer Gynäkologin, einem Notfallmediziner und einem Psychiater nach Südkurdistan (Nordirak) in das Flüchtlingslager in Machmur. Die Delegation wurde unterstützt vom 'Verein Demokratischer Ärztinnen & Ärzte' (VDÄÄ – Regionalgruppe Hamburg) und die Reise erfolgte auf Einladung des Gesundheitszentrums im Flüchtlingscamp Machmur. Ziel der Delegationsreise war es, das Gesundheitszentrum durch Fortbildung und Mitarbeit zu unterstützen und medizinische Materialspenden zu überbringen.
Camp Machmur entstand 1998 als Flüchtlingslager
Das Flüchtlingscamp in Machmur (kurdisch: Mexmûr) wurde 1998 von der UNHCR errichtet – die in den 1990er Jahren geflohenen Kurden und Kurdinnen (circa 12.000) aus Nord-Kurdistan (türkisches Staatsgebiet) sollten in einem Gebiet nahe der Stadt Machmur mitten in der Wüste im Nord-Irak (damals noch unter der Herrschaft von Saddam Hussein) gemeinsam untergebracht werden. Es ist somit eines der ältesten Flüchtlingslager der Region. Die Flucht war eine kollektive, politische Entscheidung als Reaktion auf die Politik des türkischen Staates – eine Politik des Verschwindenlassens, der Folter, der Zwangsrekrutierung für das Dorfschützersystem, der Zerstörung der Dörfer und der gezielten Vertreibung der Bevölkerung aus Nordkurdistan. Diese gemeinsame Geschichte und politische Haltung prägt das Camp bis heute.
Inmitten der Wüste haben die Menschen eine Oase geschaffen
Im Laufe der Jahre haben die Bewohner und Bewohnerinnen aus einem Zeltlager eine Kleinstadt errichtet. Es wurden feste Häuser gebaut, durch Wasserbohrungen konnte ein System mit umfassender Wasserversorgung für das Camp Machmur errichtet werden, mit Generatoren wurde Elektrizität in alle Häuser gebracht. Auch ein Abwassersystem konnte installiert werden, eine Müllabfuhr wurde organisiert. Es wurden Schulen gebaut, ein Gesundheitszentrum, ein Physiotherapiezentrum und mittlerweile auch eine zahnärztliche Praxis errichtet. Beeindruckend ist es auch, wie viele Bäume und andere Pflanzen in diesem Wüstenfleck gepflanzt werden konnten – dabei versorgen sich die Menschen mit Trauben, Feigen, Tomaten und anderen Früchten und Gemüse selbständig, teilweise können diese Produkte auch außerhalb des Lagers verkauft werden.
Eine Insel der Selbstverwaltung zwischen Türkei, Irak und kurdischer Autonomieregion
Nach dem am 25.9.2017 abgehaltenen Referendum, bei dem 92% der Bevölkerung in der Autonomen Region Kurdistan (ARK) für eine Unabhängigkeit stimmten, übernahm die irakische Armee die Kontrolle von circa 40% des von der ARK kontrolliertem Gebiet, darunter vor allem die aufgrund der Ölförderung strategisch wichtige Stadt Kirkuk, und reduzierte das Gebiet der ARK auf den Gebietsstand von vor 2003. Zu diesem von der irakischen Regierung eingenommenen Gebiet gehörten auch die Stadt und das Camp Machmur, so dass nun die Grenze zwischen dem irakischen Staatsgebiet und der ARK nur wenige Kilometer nördlich des Lagers verläuft.
Der türkische Staat setzt alles daran, das Flüchtlingscamp Machmur als ein „Nest des Terrorismus“ zu brandmarken und (nicht nur) politisch zu bekämpfen. Im Rahmen der Zusammenarbeit zwischen der Türkei und der in der ARK regierenden KDP wurde 2019 beschlossen, dass zur angeblichen „Bekämpfung des Terrorismus“ keine Personen mehr aus dem Lager in das KDP-kontrollierte Gebiet der ARK einreisen dürfen.

Schwierige Alltagsbedingungen
Diese Isolation ist für Bevölkerung des Camp Machmur sehr einschneidend. Bis 2019 war es ihnen möglich in die nur 67 km entfernte Hauptstadt der ARK, Erbil (kurdisch: Hewler) zu fahren. Die Stadt bot bis dahin die besten Möglichkeiten der (Weiter-) Bildung, medizinischer Einrichtungen und Versorgung mit essentiellen Gütern. Seit 2019 müssen nun alle Erledigungen und sogar notwendige und dringende Krankenhausbehandlungen in mehreren hundert Kilometer entfernten anderen Städten (z.B. Mosul, Sulaymaniyah, Bagdad) erfolgen. Plötzlich durften die Kurden und Kurdinnen aus dem Camp nicht mehr nach Kurdistan reisen!
Das Gesundheitszentrum in Camp Machmur
Gerade aufgrund dieser Entwicklung hat das Gesundheitszentrum im Camp Machmur eine besondere Bedeutung in der Versorgung der Bevölkerung erhalten. Das Gesundheitszentrum ist vergleichbar mit einer allgemeinmedizinischen Poliklinik mit einer ambulanten Versorgung von täglich zwischen 100 und 200 Patienten und Patientinnen. Das Gesundheitszentrum hat eine Apotheke, ein Labor und ein Röntgenraum. Mit Spenden der Kurdistanhilfe e.V. von 2020 konnte ein Ultraschallgerät angeschafft und eine Krankenpflegerin zu einer speziellen Ultraschall-Ausbildung geschult werden. Seitdem sind allgemeinmedizinische und geburtshilfliche Ultraschalluntersuchungen möglich. Für die Versorgung im Zentrum muss jede Person jeweils einen geringen Unkostenbeitrag zahlen – eine allgemeine Krankenversicherung gibt es im Irak nicht.
Das Gesundheitszentrum erfüllt für das Camp Machmur drei wichtige Aufgaben:
- Eine autonome Gesundheitsversorgung für alle Personen im Flüchtlingscamp bedeutet eine Unabhängigkeit von fremden Gesundheitsstrukturen. Für viele medizinische Leistungen müsste die Camp-Bevölkerung sonst in benachbarte Städte reisen – seit dem Einreisestopp an der Grenze zur Autonomen Region Kurdistan (ARK) ist diese Möglichkeit massiv erschwert worden, weswegen eine Gesundheitsversorgung möglichst im Camp erfolgen muss.
- Die gesundheitlichen Leistungen im Gesundheitszentrum sind qualitativ so gut, dass auch die Bevölkerung der benachbarten Stadt Machmur, aber auch aus entfernteren Orten, dieses aufsucht. Somit ist das Gesundheitszentrum ein Aushängeschild des Flüchtlingscamps und wirkt als vertrauensbildende Maßnahme zwischen der irakisch-kurdischen und -arabischen Allgemeinbevölkerung und dem Camp-Bevölkerung. Wenn sogar irakische Soldaten das Gesundheitszentrum zur Behandlung aufsuchen, wird die Terrorismus-Propaganda der Türkei nicht greifen und es entstehen wertvolle Kontakte für die Camp-Bevölkerung.
- Die sozial angemessenen, vergleichsweise niedrigen Preise für Gesundheitsleistungen im Zentrum führen dazu, dass Preise für Gesundheitsleistungen auch in der Umgebung niedrig gehalten werden müssen.
Die Entscheidungen in Bezug auf Leistungsumfang, Budget und Versorgungsstrukturen werden im Camp Machmur durch eine Gesundheitskommission getroffen. Diese wird geleitet durch einen männlichen Mitarbeiter und eine weibliche Mitarbeiterin und tagt regelmäßig.
Angesichts der schwierigen Lage, in der sich die Bevölkerung des Flüchtlingscamp Machmur aufgrund der politischen Isolation befindet, ist die Unterstützung des Gesundheitszentrums eine wichtige humanitäre Aufgabe, der wir uns stellen sollten.
Spenden
für das Gesundheitszentrum im Camp Machmur
an das Konto der Kurdistanhilfe e.V.
IBAN DE40 2005 0550 1049 2227 04 (Haspa)
Stichwort: Machmur
Seit 1992, dem Gründungsjahr der Kurdistanhilfe, hat sich in der Türkei, abgesehen von einer kurzen Tauwetterperiode, an der kurdenfeindlichen Haltung des Regimes nichts geändert. Im Gegenteil. Seit ihr Präsident, Erdoğan, jeglichen demokratisch-rechtsstaatlichen Anspruch aufgegeben hat, wurden zwischen den Jahren 2015 und 2016 zwanzig Städte, darunter Şırnak, Yüksekova, Nusaybin, Cizre oder Sur, die Altstadt von Diyarbakir, während teils Monate andauernder Ausgangssperren erheblich zerstört und etwa 1200 Zivilisten getötet.
Knapp eine halbe Million Menschen sind erneut zwangsvertrieben worden. Menschen, die häufig bereits in den 90er-Jahren Vertreibung erlebt hatten und nun wieder alles verloren haben. Mit dem Projekt Familienpatenschaften werden durch die Zerstörung der Städte in den Jahren 2015 und 2016 in Not geratene Familien direkt unterstützt sowie die Möglichkeit geboten, diese Familien auch selbst kennenzulernen.
Für das Projekt 'Familienpatenschaften' sind
im Jahr 2018 8.028,10 €,
im Jahr 2019 5.600,00 €,
im Jahr 2020 6.450,00 €,
im Jahr 2021 6.200,00 € an Spendenbeträgen gesammelt und übergeben worden.
Wir bedanken uns für die Unterstützung.
IBAN DE40 2005 0550 1049 2227 04 (Haspa)
Stichwort: Familienpatenschaften
In der Stadt Qamişlo befindet sich das „Heim der Verletzten“. Es ist ein Reha-Zentrum, in dem sich zumeist Arm- oder Beinamputierte aber auch Querschnittsgelähmte befinden. Das Reha-Zentrum besteht aus einer Etage mit Betten für die PatientInnen und einem Raum für Reha-Übungen. Es ist Teil der einzigen Prothesenwerkstatt der Föderation Nord-Ost-Syrien (ehemals Rojava). Die Werkstatt wird von einem Prothesenbauer geleitet. Mit ihm arbeiten weitere MitarbeiterInnen an den Prothesen.

Für Betroffene bedeutet die Versorgung mit einer Prothese eine Perspektive für ein Leben nach dem Krieg und auf ein würdevolles Leben. Die Herstellung und Anpassung einer Prothese benötigt aktuell 2–3 Wochen und kostet etwa 3000 Dollar. Für Betroffene sind die Prothesen allerdings kostenlos. Über 3.000 Personen konnte schon geholfen werden. Doch viele warten noch auf eine Prothese. Angesichts mehrerer Zehntausend zu Versorgender fehlt es an ausreichend Maschinen und Material zur Fertigung der dringend benötigten Prothesen.

Damit alle Betroffenen in einem zumutbaren Zeitraum die Chance auf eine Prothese erhalten, wäre der Ausbau der Kapazitäten der Prothesenwerkstatt dringend erforderlich.
Für das Projekt 'Prothesenwerkstatt in Qamişlo' sind
im Jahr 2019 1.855,36 €,
im Jahr 2020 10.000,00 € an Spendenbeträgen gesammelt und übergeben worden.
Wir bedanken uns für die Unterstützung.
IBAN DE40 2005 0550 1049 2227 04 (Haspa)
Stichwort: Prothesenwerkstatt