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In der zweiten Oktoberwoche, in der der Angriff der Türkei auf Rojava (Nordsyrien) begann, bereiste eine zivilgesellschaftliche Delegation Südkurdistan (Nordirak). Diese Delegation setzte sich zusammen aus Pädagog*innen, Journalist*innen, Künstler*innen, Ärzt*innen, IT-Spezialisten, Verwaltungs-Fachleuten und Vertreter*innen verschiedener NGOs sowie des Flüchtlingsrats Schleswig-Holstein und aus Parlamentarier*innen aus dem Bundestag, der Hamburgischen Bürgerschaft, dem Schleswig-Holsteinischen Landtag sowie der Altonaer Bezirksversammlung.

Die Reise erfolgte auf Einladung der Yezidischen Konföderation im Nordirak. Ziel war die Region um den Şingal-Berg (Shengal-Gebiet), wo sich Siedlungsgebiete der ethnisch-religiösen Minderheit der Yezid*innen befinden. Die Delegation wollte dort u. a. Projekte besuchen, die mit traumatisierten Menschen arbeiten.Bild 4

Der Islamische Staat (IS) drang bei seiner Offensive 2014 in diese Gebiete vor und verübte mit extremer Grausamkeit einen Genozid an den dort lebenden „ungläubigen“, (nicht-muslimischen) Menschen. Über 5000 Yezid*innen wurden ermordet, 7000 Frauen und Kinder versklavt und systematisch vergewaltigt. 400.000 Menschen mussten aus ihrer Heimat fliehen. Noch heute gelten 2000 Frauen als verschollen.

Nach langwierigen und schwierigen Diskussionen um Genehmigungen zur Weiterreise erreichte die Delegation das kurdische Flüchtlingslager Machmur (kurdisch Mexmûr) zwischen Mossul und Erbil (kurdisch Hewlar), 250 km östlich der türkischen Grenze. Dieses befestigte Lager, in dem etwa 13.000 Geflüchtete leben, entstand aufgrund der Vertreibung der Menschen aus dem türkischen Teil Nordkurdistans durch die türkische Armee im Jahre 1993.

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Trotz aller Widrigkeiten gelang es in den letzten Jahren, in Machmur ein weitgehend funktionierendes Gesundheitssystems aufzubauen. Dessen Weiterbestehen ist nun durch das seit drei Monaten anhaltende Embargo seitens der Barzani-Regierung in Südkurdistan gefährdet. Die Delegation besuchte das Gesundheitszentrum. Überwiegend ehrenamtlich versorgen hier fünf Ärzt*innen, vier Hebammen, zwei Physiotherapeuten, zwei Apothekerinnen und sechs Pflegekräfte das Lager sowie zahlreiche irakische Dörfer in der Umgebung. Es gibt sechs Behandlungsräume, einige wenige Notfallbetten, einen Frühgeborenen-Inkubator, ein einfaches Labor, ein veraltetes Ultraschall-Gerät sowie eine einfache Röntgenanlage. Kompliziertere Operationen oder Kaiserschnitte vorzunehmen ist jedoch nicht möglich.

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Seit Kurzem besitzt das Gesundheitszentrum einen nagelneuen Ambulanzwagen, gespendet von italienischen Hilfsorganisationen, mit dem Patienten im Notfall oder zur Dialyse nach Mossul oder Erbil gefahren werden können. Unsere Delegation konnte eine beträchtliche Menge dringend benötigter Antibiotika sowie Geldspenden zur Beschaffung von Betten, Rollstühlen und anderen Hilfsmitteln übergeben.

Mindestens ebenso eindrucksvoll für uns war der Besuch des Tageszentrums Navenda Hevi (Hoffnung) zur Förderung von Kindern mit Handicap. Hier arbeiten sechs Psycholog*innen und Heil-Therapeut*innen, die vor allem Kinder mit Autismus-Spektrumsstörung oder Down-Syndrom in ihrer Entwicklung fördern. Die Förderung umfasst die feinmotorische Bewegung, musische und lebenspraktische Bereiche sowie Sport.Bild 6

Es zeugt von ausgeprägtem Humanismus, sich unter äußerst bescheidenen und bedrängten Lebensverhältnissen den Bedürfnissen und der Förderung schwerbehinderter Menschen zu widmen. Für eine noch bessere Gesundheitsversorgung, die unter anderem die Früherkennung von Tumoren ermöglicht, benötigt das Flüchtlingscamp in Machmur jedoch dringend ein neues 3,5- und 10-MHz-Sonographiegerät für etwa 20.000 Euro.Bild 5